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Debatte um AKW-Laufzeitverlängerungen
Neue Analyse zeigt:
Atomkraftwerke sind keine Garantie für Versorgungssicherheit
in der Energiekrise
Hamburg (ot|wros - Atomkraftwerke fallen deutlich häufiger für die Stromproduktion aus als vergleichbare Kraftwerke. So waren in Frankreich seit dem Jahr 2018 im Schnitt nur 66 Prozent der installierten AKW-Leistung abrufbar. Die Verfügbarkeit der Meiler für die Versorgung lag damit rund ein Drittel unter der von Gas- und Wasserkraftwerken, wie eine Kurzanalyse von Energy Brainpool im Auftrag der Ökoenergiegenos-senschaft Green Planet Energy zeigt. "Die jahrzehntealten Atomkraftwerke sind kein Baustein einer siche-ren Energieversorgung, sondern Risiko und Hemmschuh für den Ausbau erneuerbarer Technologien - das gilt für Frankreich ebenso wie für Deutschland", sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Green Planet Energy - und ergänzt: "Was bringt uns eine Erzeugungstechnologie, auf die wir uns nicht verlassen können, wenn es darauf ankommt?"
Hierzulande findet vor dem Hintergrund des Ukraine-kriegs eine Debatte um Laufzeitverlängerungenfür die letzten drei noch laufenden AKWs über das im Atom-ausstieg festgelegte Abschaltdatum Ende 2022 statt. So hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine "ideologiefreie" Debatte über längere Atom-Lauf-zeiten eingefordert. Sein Kabinettskollege Robert Habeck (Grüne) weist dies mit Blick auf den Beitrag der Atomenergie zur Versorgungssicherheit zurück.
Die neue Analyse gibt dem Wirtschaftsminister Recht: "Laufzeitverlängerungen für bestehende Reaktoren sind für die Sicherheit der Energieversorgung tatsäch-lich als weniger effektiv einzuordnen als nachhaltige Investitionen in andere Kraftwerkstechnologien", so das Fazit von Analyst Michael Claußner von Energy Brainpool.
Im untersuchten Beispielland Frankreich verschlech-terte sich laut Analyse die Verfügbarkeit der dortigen Reaktoren langfristig im Schnitt um vier Prozentpunk-te pro Jahr. Im April und Mai 2022 wurden dort sogar historische Tiefstwerte erreicht: Mehr als die Hälfte der installierten Kraftwerksleistung in Frankreich stand in diesem Zeitraum still. Die Folgen: Die Strom-preise im Land schossen auf historische Höchstwerte - und Frankreich dürfte 2022 laut Analyse erstmals seit
langer Zeit wieder Nettostromimporteur werden, statt überschüssigen Strom zu exportieren.
Die hohen Ausfallzahlen in Frankreich sind laut Energy Brainpool sowohl auf geplante Instandhaltungsmaß-nahmen und Inspektionen zurückzuführen als auch auf auch strategische Drosselungen zur Einsparung von Brennstoff. Hinzu kommen Abschaltungen wegen auf-getretener Schäden an den Anlagen, wie etwa Korro-sionen. Prognosen des Betreiberkonzerns EDF deuten laut Analyse darauf hin, dass sich die Versorgung mit Atomstrom weiter verschlechtert: Für 2023 erwartet EDF demnach nur noch eine Produktion von 300 bis 330 Terawattstunden, "der niedrigste Wert seit 30 Jahren", so Energy Brainpool.
"Die Probleme der mangelnden Versorgungssicherheit lassen sich auch auf Deutschland übertragen", sagt Sönke Tangermann. Die drei hierzulande noch verblie-benen Meiler - Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 - sind jeweils mehr als 30 Jahre alt. Ungeklärt ist, wie groß der technische Nachrüstbedarf für eine Laufzeit-verlängerung ist - und auch, ob die AKWs dafür län-gere Zeit vom Netz genommen werden müssten. Bis-her zurückgestellte sicherheitsrelevante Prüfungen und Instandhaltungsarbeiten müssten jedenfalls nachgeholt werden.